Einführung in Linux
von Stefanie Teufel (teufel@hoelle.org)

Inhalt

"Was ist Linux" oder wie alles begann
Freie Software: Das GNU-Projekt
Die Rettung ist nahe oder "Das X Window System"
Vom Basar zum Endanwenderprodukt
Kommerzielle Distributionen 
Debian, the choice of a GNU generation
KDE oder "Als der Desktop laufen lernte..."
Licht und Schatten

"Was ist Linux" oder wie alles begann

Was ist Linux? Nun, in erster Linie ist Linux derzeit "in". Hatte es bis vor kurzem noch den Hautgout eines Hackerbetriebssystems, das pickeligen Jünglingen in Birkenstock-Sandalen Trost und Zuflucht bot, gilt es mittlerweile als todschick Linux auch auf dem heimischen PC zu benutzen. Einerseits ist das zu begrüßen und hilft der Linux-Gemeinde, da durch gesteigertes Medieninteresse und Kundenanfragen mehr und mehr große Firmen in den letzten Monaten ihre Unterstützung von Linux angekündigt haben. Andererseits erleben aber auch viele Neuanwender bittere Enttäuschungen, da die in den diversen Computer-Zeitschriften herausgebene Parole "Linux ist ein besseres Windows" so nicht stimmt. Linux ist, und das sollte man bei aller Euphorie nicht vergessen, ein Betriebssystem, das durch seinen Unix-Hintergrund den Anwender mit deutlich komplexeren Arbeitsabläufen konfrontriert als MS-Windows et al. Wer jedoch bereit ist, sich in die Materie und die Betriebsvorgänge seines Systems einzuarbeiten, wird mit einem durchweg stabilen Betriebssystem belohnt, das über echte Multitasking- und Multiuser-Fähigkeiten verfügt.

Begonnen hat das Phänomen Linux als Experiment des jungen finnischen Studenten Linus Torvalds an der Universität von Helsinki, dem es auch seinen Namen zu verdanken hat. In Anlehnung an seinen Vornamen und die Tatsache, dass es sich um ein Unix-Betriebssystem handeln sollte, nannte er sein Projekt "Linux". Torvalds erwarb 1991 einen neuen 386er-PC und war - wie wohl die meisten von uns - mit dem mitgelieferten Betriebssystem nun so überhaupt nicht zufrieden und wollte stattdessen Unix verwenden. Da alle erhältlichen Unix-Versionen sein Budget jedoch bei weitem überstiegen, entschloss er sich, eine neue Version zu programmieren und veröffentlichte schon sehr früh den Quellcode im Internet, um auf diesen Weg Gleichgesinnte zur Unterstützung seiner Arbeit zu finden. Der Rest ist Geschichte: Sehr schnell wurde er von einer Vielzahl enthusiastischer "Hacker" unterstützt, die das Projekt "Linux" rasend schnell vorantrieben. So konnte denn auch bereits 1994 die Version 1.0 des Linux-Kernels veröffentlicht werden. Den Kernel (zu deutsch Kern) eines Betriebssystems können Sie sich einfach ausgedrückt als eine Schnittstelle zwischen Programmen und Hardware vorstellen. Und obwohl sich in den letzten Jahren im Linux-Umfeld vieles geändert hat, eines ist gleichgeblieben: die rasend schnelle Entwicklung. Unter der Leitung von Linus Torvalds wird der Kernel auch heute noch ständig weiterentwickelt, Fehler werden behoben und neue Funktionen hinzugefügt. Derzeit aktuell ist die Kernel Version 2.2.2, in der erstmals auch die Unterstützung der berühmt-berüchtigten Plug-&-Pray-, äh, Plug-&-Play-Karten implementiert ist.

Nun ist so ein Kernel zwar etwas Wunderschönes, nur kann Joe User ohne darauf laufende Anwendungen nicht viel mit ihm anfangen. Denn schließlich sind es erst die Programme, die den heißgeliebten Rechner in eine Schreibmaschine, einen Schachpartner oder eine simulierte Mondlandefähre verwandeln. Der Vorwurf, dem Linux - und anfangs vielleicht nicht ganz zu unrecht - bisher immer ausgesetzt war, ist, dass die Linux-Gemeinde nicht unbedingt auf das blicken kann, was man als überwältigende Anzahl von Applikationen bezeichnen könnte. Das ist so nicht richtig. Glücklicherweise kann man mittlerweile auf eine große Zahl hochwertiger und - genau wie das Betriebssystem selbst - ebenfalls frei verfügbarer Software zurückgreifen.

Freie Software: Das GNU-Projekt

Diese freie Verfügbarkeit sichert in erster Linie das GNU-Projekt. Bereits 1984 hatte sich eine Gruppe von Computernutzern und -programmierern unter der Leitung von Richard M. Stallman zusammengeschlossen mit dem Ziel, frei verfügbare Software zu schreiben. Das Projekt bekam den Namen GNU (http://www.gnu.org/) eine Abkürzung für "Gnu's not Unix". Um wirklich sicherzustellen, dass die so geschriebenen Programme auch in Zukunft frei verfügbar sein würden und nicht von Firmen für kommerzielle Zwecke ausgeschlachtet, wurde die sogenannte GNU Public License (http://www.gnu.org/copyleft/gpl.html) entworfen. "Frei" meint hier aber nicht unbedingt kostenlos. Sinn dieser Lizenz ist es vielmehr dem Entwickler wie dem Benutzer die größtmögliche Freiheit im Umgang mit der Software, die unter dieser Lizenz veröffentlicht wird, zu garantieren. Dazu gehört selbstverständlich auch, dass man ein solches Programm vertreiben und Geld dafür verlangen kann. Allerdings muss mit jeder Verbreitung immer auch der Quellcode (also die "Bauanleitung" der Software) mitveröffentlicht werden. Jeder Anwender darf diese Software uneingeschränkt nutzen, weiterverbreiten (was bei kommerzieller Software in der Regel nicht gestattet ist) und sie sogar verändern oder Teile des Programmcodes in eigene Programme einbauen. Die einzige Einschränkung dabei ist, dass die neu enstandene Software wieder der GPL unterliegt, also wieder frei ist. Freie Software kann nicht nur von privaten Anwendern, sondern natürlich auch von Firmen genutzt werden. Die Verbreitung oder Nutzung darf aber nicht durch Patente oder andere Lizenzbestimmungen eingeschränkt werden, was diese Software für Firmen eher uninteressant machen dürfte. Netterweise veröffentlichen viele Entwickler ihre Programme unter der GPL. Und da Linux und Anverwandten in der Frühzeit - also damals als die Betriebssysteme noch Betriebssysteme und Männer noch Männer, äh lassen wir das... - tatsächlich hauptsächlich von Entwicklern etc. benutzt wurden, entstanden zuallererst Programme zur Programmentwicklung wie etwa der GNU C Compiler gcc, der Texteditor emacs oder der GNU Debugger gdb, die sich auch heute noch großer Beliebtheit erfreuen und seitdem beständig weiterentwickelt wurden. Mittlerweile existiert jedoch eine große Zahl von Programmen für die unterschiedlichsten Anwendungsgebiete. Gerade Linux-Anfänger verzweifeln dabei daran, dass bei der Programmentwicklung bisher der Hauptaugenmerk eher auf Stabilität und Funktionalität gelegt wurde und die Benutzerfreundlichkeit von daher nicht unbedingt die Nummer eins der Prioritätenliste bildete. Schon mancher Umsteiger mag sich bei der Bedienung von Linux und Konsorten gedacht haben, vom Regen in die Traufe gekommen zu sein, wenn ihn wieder einmal nur der nackte Prompt angestarrt hat, wo man sich doch schon unter MS-Windows immer recht erfolgreich um die DOS-Eingabeaufforderung herumgedrückt hatte...

Die Rettung ist nahe oder "Das X Window System"

...aber es muss nicht immer nur der Prompt oder die Kommandozeile sein. So schnell und leistungsfähig die Arbeit auf der Konsole auch ist, mitunter gönnt man sich eben doch gerne mal die Dekadenz von Icons und bunten Bildchen, denn nur dann macht Surfen richtig Spaß. Und das ist auch weiter kein Problem, denn mit dem X Window System steht unter Linux eine sehr leistungsfähige grafische Oberfläche zur Verfügung. Dabei sollte man bitte nicht den Fehler machen und das X Window System mit dem Window-Manager verwechseln. Dieser ist nur ein Client-Programm, welches großzügig auf den X-Server zugreift, damit man nach Herzenslust die diversen Fenster auf dem Desktop herumschubsen kann. Von daher können Sie unter Linux auch fröhlich zwischen den unterschiedlichsten Fenster-Managern hin- und herhoppeln und sind nicht wie bei MS-Windows (NT) dazu verdammt, tagaus, tagein auf die gleiche Oberfläche zu starren. Die verbreiteste Implementierung des X Window Systems dürfte XFree86 sein, welche bei den heutigen Distributionen als Standard mitgeliefert wird. Und gab es früher noch Schwierigkeiten was die Unterstützung der verschiedenen Grafik-Chipsätze anlangte, so werden in der aktuellen Version von XFree86 Chips wie Riva TNT unterstützt.

Vom Basar zum Endanwenderprodukt

Eric Raymond verglich in seinem Artikel "The Cathedral and the Bazaar" (http://www.tuxedo.org/~esr/writings/cathedral-bazaar/) den Entwicklungsstil, in dem Linux entstanden ist, mit einem großen Basar. Eine Vielzahl unabhängiger Programmierer entwickelt parallel die verschiedensten Teile des Systems. Übrigens: Auch das damit einhergehende Palaver kann manchmal an einen Basar erinnern...

Von besonderer Bedeutung ist dabei, dass der Quellcode schon in einem frühen Stadium über das Internet verfügbar ist. Dies ermöglicht es einer großen Anzahl von Entwicklern auf Fehler aufmerksam zu machen und Verbesserungen vorzuschlagen. Durch diesen evolutionären Prozess gewinnt das gesamte System an Funktionalität und Stabilität: Und das sehr schnell. Denken Sie nur an den Pentium-Bug. Bereits wenige Stunden nach Bekanntwerden des Fehlers war der Linux-Kernel so abgeändert, dass er für diesen Fehler nicht mehr anfällig war. Und auch die jüngste Intel-Überraschung - die neue Serien-Nummer des Pentium III - war nach kurzer Zeit für den Linux-Kernel kein Thema mehr.

Kommerzielle Distributionen

Gut und schön werden Sie sagen: Und wie komme ich nun an all diese Herrlichkeiten? Keine Bange, dafür gibt es Distributionen. Und davon reichlich, so dass für jeden Geschmack die passende dabei sein dürfte. Mehr und mehr Firmen stellen die im Internet frei verfügbare Software zu einem kompletten System zusammen, für das sie möglichst komfortable Installationsroutinen entwickeln, Komponenten aufeinander abstimmen und die nötigen Grundkonfigurationen vornehmen. Zum kompletten Leistungspaket zählt daneben meist noch professioneller Support - meist in der Form virtuellen Händchenhaltens alias regen E-Mail-Verkehrs - sowie das Bereitstellen von Benutzerhandbüchern, die sehr zum Leidwesen des ein oder anderen Linux-Supporters viel zu selten gelesen werden.

Erwähnenswert ist an dieser Stelle das Paket-Management-System, dessen sich die Distributionen bedienen. Denn Ihre Linux-Distribution kommt wie an Heiligabend der Weihnachtsmann mit einer Vielzahl an Paketen daher, bei denen Sie dann selbst entscheiden dürfen, ob Sie sie aufpacken oder besser gesagt auf Ihrem System installieren möchten. In einem ausgewachsenen Paket werden alle von einem Programm benötigten Dateien zusammengefasst und mit Informationen bezüglich Inhalt, Art und Abhängigkeiten gefüttert. Alle installierten Pakete stopft Ihr Paket-Manager für Sie dann abschließend in eine Datenbank. Dies gewährleistet eine einfache Wartung des Systems, meist reicht ein lapidarer Einzeiler auf der Kommandozeile zum Hinzufügen, Entfernen oder Aktualisieren von Programmpaketen.

Ich habe eben schon einmal kurz angedeutet, dass es mittlerweile eine Vielzahl an unterschiedlichen Distributionen gibt. Die in unseren Breiten am weitesten verbreitete dürfte die SuSE-Distribution sein, die - schon aufgrund ihrer Fürther Herkunft - sehr gut an deutsche Besonderheiten wie Tastaturbelegung oder ISDN angepasst ist. Sie wird mit den Installationshilfen YAST und SaX ausgeliefert, die gerade Neulingen das erstmalige Aufsetzen ihres Systems deutlich erleichtern können. International am bekanntesten ist die Red-Hat-Distribution, von der es mittlerweile auch eine deutsche Version gibt. Auch diese Distribution wird mit einer gut durchdachten Installationsroutine ausgeliefert, bei der mittlerweile sogar die meisten Grafik-Karten und Mäuslein automatisch erkannt werden - Plug & Play auf Linuxart. Interessant dürfte gerade für Anfänger auch die noch recht junge Mandrake-Distribution sein, die auf der jeweils aktuellen Red-Hat-Version aufbaut, aber im Gegensatz zu dieser KDE (über das Sie gleich noch einiges hören werden) als Standard-Desktop eingerichtet hat. Mandrake ist sehr sauber konfiguriert und erspart dem Neuling schon im frühen Stadium das so gefürchtete Herumschmieren in kryptischen Konfigurationsdateien.

Welche Distribution ist nun die beste? Das ist eine Frage an der Freundschaften zerbrochen sind, Nächte durchdiskutiert wurden und Flamewars immenser Länge sich quer durchs Usenet zogen. Ich persönlich weiß es nicht. Meist ist es jedoch am cleversten sich mit der Distribution am heimischen Rechner zu verschanzen, über die auch der freundliche Linux-Guru um die Ecke verfügt, da man in den Linux-Anfangszeiten wahrscheinlich sowieso einen Großteil der Zeit jammernd auf dessen Schoß verbringen wird. Alternativ sollte man sich ein verständliches Buch besorgen, das auf die Tücken der jeweiligen Distribution eingeht. Eines ist jedoch allen gemeinsam: Die Installation ist sehr viel einfacher geworden und man darf gespannt sein, was die angekündigten Distributionen von Corel oder auch das deutsche EasyLinux noch an weiteren Hilfen in Zukunft zu bieten haben.

Debian, the choice of a GNU generation

Eine kleine Sonderrolle im munteren Distributionsreigen nimmt die Debian-Distribution (http://www.de.debian.org) ein, da es sich bei ihr um eine freie Distribution handelt und damit die gesamte Distribution nach denselben Methoden entwickelt wurde, wie die ihr zugrundeliegenden Programme. Mehr als hundert Personen arbeiten an den über 500 Paketen der Debian-Distribution. Dies gewährleistet zwar ein hohes Maß an Qualität, aber da das Hauptaugenmerk bisher mehr auf Stabilität als auf Benutzerfreundlichkeit lag, eignet sich diese Distribution besser für den Fortgeschrittenen als den unerfahrenen Anwender.

KDE oder "Als der Desktop laufen lernte..."

Einige meinen, KDE sei die beste Erfindung seit geschnittenem Brot, andere wieder behaupten, es sei die Antwort auf die verzweifelten Hilfeschreie der umsteigewilligen MS-Windows-Anwender, für die dritte Gruppe ist es die derzeit wohl komfortabelste und ausgereifteste grafische Benutzeroberfläche oder GUI (auf gut Neudeutsch "Graphical User Interface"). Die Wahrheit liegt wohl irgendwo dazwischen. Allerdings ist KDE ist nicht nur einfach ein weiterer Window-Manager wie Afterstep oder FVWM. Im Gegensatz zu diesen stellt "KDE - Das K Desktop Environment" einen voll integrierten Desktop dar, der neben einer immer unüberschaubareren Zahl von speziell auf KDE portierten Unix-Tools mit kwm eben auch noch einen Windowmanager enthält.

Die zunehmende Beliebheit von KDE liegt sicherlich darin begründet, dass es hierbei wie bei keinem anderen Projekt gelungen ist, die Funktionsvielfalt und Stabilität der Unix-Systeme endlich mit dem grafischen Bedienungskomfort auszustatten, der heutzutage bei dem normalen Heimanwender als Standard vorausgesetzt wird. Für fast jedes der kleinen, aber dafür umso mächtigeren Tools der Unix-Welt gibt es unter KDE ein grafisches Pedant, durch das vor allem MS-Windows-Umsteigern das Einarbeiten in die meist recht kryptischen Konfigurationdateien erspart bleibt. Manche alten Linux-Hasen mögen eine solche in ihren Augen doch eher schmächliche "Klickibunti"-Entwicklung bedauerlich finden, aber in Zeiten, in denen in immer mehr Haushalten ein Computer zur Grundausstattung gehört und die Benutzung derselben nicht auf den "Power"-Anwender beschränkt bleibt, ist dies eine Denkansatz, den man nur begrüßen kann. Denn nur durch solche Applikationen wird Linux neben dem kleinem verschworenen Kreis von Studenten und Programmieren endlich auch für den heimischen Computer interessant.

Vielleicht noch ein Wort zur Rechnerausstattung: Obwohl KDE mit einem Arbeitspeicher von 16Mbyte RAM durchaus zum Laufen zu bewegen ist, sollte der Rechner, um vernüftig und nicht in Zeitlupe arbeiten zu müssen, schon über 32 Mbyte RAM verfügen. Nach oben bildet wie immer nur der Geldbeutel das RAM-Limit...

Aber neben der niedlichen Oberfläche - okay, okay man mag es am liebsten quietschbunt - steckt noch einiges mehr in KDE. Und zwar Features, die KDE durchaus mit kommerzieller Software mithalten lassen. Besonders hervorzuheben sind sicherlich KDEs Netzwerktransparenz, die durchgängige Implemtentierung eines eigenen Drag-&-Drop-Protokolls sowie die kinderleichte Konfiguration per Maus, welche - wie schon mehrfach erwähnt - dem hoffnungsfrohen Linux-Neuling eben doch so manche schmerzerfüllte Stunde in den Untiefen des Linux-Systems erspart. Auch das Thema Netzwerktransparenz ist nicht zu unterschätzen. Damit ist gemeint, dass Ihnen als Benutzer der Unterschied zwischen eigenem und vernetzen Computer verborgen bleibt. So macht es beispielsweise keinerlei Unterschied, ob die Dokumente, die bearbeitet werden, lokal auf dem eigenen Rechner verfügbar sind oder ob sie auf einem vernetzten Rechner herumlungern.

Eines der vielversprechendesten Projekte der KDE-Welt ist das Koffice-Projekt, dessen Ziel es ist, eine komplette, CORBA-basierte Office-Suite mit Textverarbeitung, Tabellenkalkulation, Präsentationsprogramm etc. im gewohnten Look & Feel von KDE bereitzustellen, die zudem voll in den KDE-Desktop integriert sein wird. Glaubt man den Entwicklern, ist jedoch nicht vor Ende 1999 mit einer wirklich einsatzfähigen Version zu rechnen. Es gibt jedoch unter http://koffice.kde.org schon Binaries und Sourcen, durch die man einen ersten Eindruck über den geplanten Umfang und das Prinzip der KDE-Officesuite erhält.

Weiterhin sind grafische KDE-Frontends für die immer populärer werdenden Administrationstools Linuxconf und COAS geplant. Mit KLyX, der KDE-Version von LyX, gibt es jedoch schon heute eine stabile und sehr mächtige Textverarbeitung oder besser gesagt ein Werkzeug, das die Nutzung des professionellen Textsatzsystems (La)TeX auch für Joe User komfortabel macht. Im gewohntem KDE-Interface kann man hier die verschiedenen Dokumentenklassen, Textstile etc. einfach mit der Maus anklicken und muss sich, um professionelle Druckerzeugnisse zu erstellen, nicht mehr erst mühsam in die ungewohnte Syntax des Makropakets LaTeX einarbeiten.

Erfreulich ist sicherlich auch, dass KDE mehr und mehr von anderen beliebten Applikationen berücksichtigt bzw. miteinbezogen wird. So kommt die neueste Version (5.0) von StarOffice mit KDE-Unterstützung. Entscheidet man sich hier für die "Custom"-Installation wird einem die "KDE Integration" mitangeboten.

Generell ist allen KDE-Programmen ein einheitliches "Look & Feel" gemeinsam, wodurch eine Konsistenz in der Bedienung erreicht wird, die es in dieser Form bisher nicht gab. Obwohl die meisten KDE-Applikationen auch zusammen mit anderen Window-Managern benutzt werden können, kommt man nur innerhalb der KDE-Umgebung in den vollen Genuss des Bedienkomforts wie etwa dem Kontrol-Center, über das sich die Programme komfortabel via Point & Click konfigurieren lassen. Ein weiteres Gimmick, das erst durch den Gebrauch der kompletten KDE-Umgebung ermöglicht wird, ist das sog."Session Management", bei dem man sich aus seinem Desktop ausloggt und beim Neustart all die Anwendungen genau dort und in genau dem Zustand wiederfindet, in dem man sie verlassen hat.

Man darf jedoch nicht vergessen, dass es sich bei KDE um "work in progress" handelt und sich in den Programmen immer noch der eine oder andere Bug versteckt, der in der Regel jedoch niemand an einem vernüftigen Arbeiten mit KDE hindert. Bugs und andere Widrigkeiten des KDE-Desktops kann man auf diversen KDE-Mailinglisten (subscribe über die KDE-Webseiten) oder in den beiden KDE-Newsgruppen de.alt.comp.kde und comp.windows.x.kde diskutieren.

Licht und Schatten

Wer nach all diesen netten Worten über Linux nun eigentlich gar nicht mehr allzu lange hier sitzen möchte, sondern stattdessen das tiefe Verlangen verspürt am heimischen Rechner mit einem zünftigen format c: ein neues Leben zu beginnen, der möge eines bedenken: So schön das alles auch klingt: Linux ist nicht die eierlegende Wollmilchsau und auch nicht die "42" der Betriebssysteme. Speziell Anfänger haben ihre Probleme beim Umstieg auf Linux. Die hohe Funktionalität des Systems bezahlt man mit einer relativ hohen Komplexität. So erfordert z.B. die Möglichkeit, von einem entfernten Rechner aus auf den eigenen Rechner zuzugreifen ein Sicherheitskonzept, das Missbrauch möglichst ausschließt. Auch die anderen Vorteile von Linux wie z.B. das Multi-User-Konzept (mehrere Personen können gleichzeitig an einem Linux-Rechner arbeiten) oder das Multitasking (verschiedene Programme laufen quasi gleichzeitig ab) erfordern einen höheren administrativen Aufwand und auch sehr viel mehr Know-How. Des Weiteren gibt es bei vielen Anwendungen keine einheitliche Benutzerführung, und die Konfiguration so mancher Programme kann doch eher hakelig sein. Dieser Tatsache haben mittlerweile viele Distributionen Rechnung getragen und relativ komfortable Konfigurationswerkzeuge mitgeliefert. Somit ist es auch dem Anfänger möglich, mit minimalem Basiswissen sein System nach seinen Wünschen einzurichten. Dennoch ersetzt das beste grafische Konfigurationstool natürlich nicht die Kenntnis des Systems, und auf lange Sicht gesehen kommt man nicht um die Lektüre eines guten Linux-Buches oder der bei den Distributionen enthaltenen üppigen Dokumentation herum.

Bevor Sie sich also in das Abenteuer Linux stürzen, sollten Sie sich genau überlegen, ob Sie bereit sind ein klein wenig Einarbeitungszeit zu investieren. Egal, was Ihnen Computerzeitschriften in Zeiten des Linux-Hypes auch einreden auch einzureden versuchen: Linux ist zwar benutzerfreundlich, aber es sucht sich sehr genau heraus, mit wem es befreundet sein möchte: Und das sind meist diejenigen, die - wie sich das bei guten Freunden gehört - Zeit zu investieren bereit sind. Haben Sie sich zur Installation von Linux entschlossen, sollten Sie auf gar keinen Fall aus Protest gegen die jahrelange Redmond'sche Versklavung MS-Windows mit einem diabolischen Grinsen von Ihrer Festplatte putzen. Gerade am Anfang ist man meist dankbar, wenn man seine Routine-Aufgaben dann doch noch einmal schnell in der gewohnten Arbeitsumgebung erledigen kann, sollte sich Linux mal wieder ein bitzele zickig angestellt haben. Dabei ist der duale Betrieb durch den mitgelieferten Bootmanager LILO auch gar kein Problem, weil es Linux mit dem guten alten "teile und herrsche" hält. Außerdem muss man sich trotz all der vollmundigen Ankündigungen der letzten Monate bewusst sein, dass es manche Software einfach noch nicht für Linux gibt. Ich denke da explizit an den Spiele-Bereich. Zwar können Sie sich fröhlich mit Doom und Quake in Ekstase ballern, aber Adventure-Fans suchen derzeit noch vergeblich nach einem Linux-Port für Myst oder Riven - obschon es mit Hopkins FBI mittlerweile das erste kommerzielle Grafik-Adventure zeitgleich mit seinem MS-Windows-Bruder zu erwerben gibt. Ansonsten kann man nur feststellen, dass die Dinge an der Softwarefront in Bewegung geraten sind: Word Perfect oder StarOffice unter Linux sind mittlerweile ein alter Hut und seit SAP R/3 einen Linux-Version bietet, kommt auch der eine oder andere Microsoft-Angestelle ins Grübeln. Man muss schauen, wie sich die Dinge entwickeln werden. Einstweilen lässt sich wohl festhalten, was KDE auf seinen Seiten als Wahlspruch ausgegeben hat: "Linux is ready for the desktop".