Anwendungen unter Linux
von Christian Baun (cray@unix-ag.uni-kl.de)

Welche Anwendungen sind unter Linux verfügbar, die den täglichen Anforderungen gewachsen sind? In dem vorliegenden Vortrag werden Applikationen vorgestellt, die sich in Stabilität und Leistungsfähigkeit nicht hinter anderen (und kommerziellen) anderer Betriebssysteme verstecken müssen und den Umstieg auf Linux erleichtern.

Inhalt

Warum das alles?
Office-Pakete
    StarOffice
    Applixware
    WordPerfect
Multimedia
    Gimp (GNU Image Manipulation Program)
    Blender
    mtv (MpegTV Player)
    X11Amp
Internet-Tools
    Licq
    IglooFTP
    Internet-Ressourcen:

Warum das alles?

Warum ein anderes Betriebssystem. MS-Windows ist doch bei jedem neuen Rechner dabei und so schön und benutzerfreundlich, wer wollte da schon ein anderes OS?

Wer hat nicht schon einen Blue-Screen gesehen oder eine "allgemeine Schutzverletzung an Adresse XYZ..." erlebt? Spätestens hier hat sich jeder MS-Windows-Anhänger schon einmal überlegt, sich an ein anderes OS zu wagen. Nur der Mangel an bekannten und liebgewonnen Applikationen hat die meisten in der Vergangenheit daran gehindert, sich an Linux heranzuwagen. Aber das Argument, unter Linux gäbe es keine für den Alltag brauchbaren Anwendungen, gilt schon lange nicht mehr. Die Softwarelösungen, um der täglichen Arbeit unter Linux entgegenzutreten, oder seinen Hobbys nachzugehen, sind schon lange verfügbar, und sie werden ständig weiterentwickelt und verbessert. Hier setzt dieser Vortrag an.

Einige dieser Anwendungen werden in dem hier vorliegenden Artikel und dem darauf basierenden Vortrag vorgestellt und in ihrer Funktionsweise beschrieben.

Office-Pakete

Office-Pakete sind die Standard-Applikationen eines Betriebssystems. Ohne Textverarbeitung und Tabellenkalkulation hat kein OS eine Chance, sich auf den Rechnern fernab von Servern zu etablieren.

StarOffice

StarOffice stammt von der Hamburger Software-Schmiede Star Division. StarOffice verfolgt einen ganz eigenen Stil. Nach dem Start des Programms nimmt es die gesamte Fläche des Desktops ein, und ersetzt sogar die vorhanden Bedienmenüs der eigentlichen Oberfläche mit eigenen. Das soll ein Arbeiten in einer einheitlichen Oberfläche ermöglichen, und tatsächlich werden alle Menüeinträge der eigentlichen Oberfläche übernommen, und alles dem äußerlichen Stil von StarOffice angepasst.

Der Desktop von StarOffice beinhaltet alles, was zum täglichen Arbeiten nötig ist. Auf dem linken Drittel des Desktops macht sich ein Dateimanager breit, und eine Symbolleiste, in welcher alle nötigen Module schnell und einfach erreicht werden können. Das einzige Problem bei diesem Konzept ist, dass ein wirklich sinnvolles Arbeiten erst ab einem 19"-Monitor möglich ist, da sonst die Fenster einfach zu klein werden, und man ständig mit Scrollen beschäftigt ist. Man kann die offenen Module natürlich auch abschalten oder verkleinern, aber so macht man den Innovationsschritt, den Star Divison mit diesem neuen Konzept im Sinn hatte, wieder rückgängig.

Zu StarOffice lässt sich noch sagen, dass es (eine kleine Einarbeitungsphase vorausgesetzt), sehr einfach zu bedienen ist und von allen Office-Paketen für Linux die meisten Features mitbringt, welche alle unter einem einheitlichen Desktop integriert sind. Besonders die Importfunktionen im Bezug auf andere Dateiformate sind so reichhaltig wie bei keinem andern Office-Paket unter Linux.

Applixware

Applixware ist immer noch der De-facto-Standard im Bereich Office unter Linux. Die Installation des Paketes ist unproblematisch, wäre da nicht die Tatsache, dass Applixware mit Handbüchern, Wörterbüchern zur Rechtschreibkorrektur und Cliparts an die 450 MB Festplattenplatz schluckt. Dafür hält sich der sonstige Ressourcenhunger des Programms in Grenzen. CPU-Last und Speicherbelegung sind erfreulich niedrig.

Applixware enthält alle Komponenten, die man von einem Office-Paket erwartet. Integriert sind Textverarbeitung, Tabellenkalkulation, Präsentationstool, HTML-Autor, Datenbank, sowie Module für Mail und Grafikbearbeitung und ein Application Builder. Alle Komponenten sind einheitlich zu bedienen und machen bei der Zusammenarbeit keine Probleme. Besondere Erwähnung verdient auch der kompfortable Font-Manager, durch welchen neue Schriften zentral eingebunden werden können und somit allen Komponenten zugänglich gemacht werden.

Anhand der Stabilität und Verbreitung des Produkts kann die langjährige Unix-Erfahrung von Applix abgelesen werden, denn Applixware ist wirklich "rock-solid"!

WordPerfect

Im Gegensatz zu Applixware und StarOffice liefert Corel kein vollständiges Office-Paket, sondern mit WordPerfect nur eine Textverarbeitung. Bis auf das Fehlen von Dragon Naturally Speaking hat das Programm die gleichen Features wie die MS-Windows-Version. Die Installation erfolgt über ein eigenes Installationsprogramm und erscheint etwas umständlich, aber dennoch problemlos. Ist das Paket erst einmal installiert, können nach Herzenslust Texte getippt werden. Die Bedienung des Programms ist problemlos, und jeder, der schon mal mit einer Textverarbeitung gearbeitet hat, wird sich schnell zurechtfinden.

Da Corel die Linux-Version kostenlos zum Download anbietet, lohnt es sich auf alle Fälle einen Blick darauf zu werfen. Ende des Jahres soll CorelDRAW 9 für Linux veröffentlicht werden. Man darf also gespannt sein.

Multimedia

Rechner sind heute schon lange nicht mehr die eintönigen "Tippbretter", deren einziger Sinn ist, eine Textverarbeitung oder ein DTP-Programm laufen zu lassen. Seit vor ca. fünf Jahren das Multimediazeitalter eingeläutet wurde, haben die Rechner immer neue Möglichkeiten und Anwendungsfelder erschlossen. Niemand benutzt seinen Computer nur zum Arbeiten. Video- und Soundbearbeitung, sowie Rendering und Bildbearbeitung sind heute unter Linux kein Problem mehr.

Gimp (GNU Image Manipulation Program)

Gimp ist ein freier Photoshop-Clone, der unter Linux das Nonplusultra für anspruchsvolle und professionelle Bildbearbeitung darstellt. Gimp ist mehr als ein Werkzeug zur Manipulation von Bilddateien. Es enthält auch einfache Funktionen zum Erstellen von Grafiken, wie man sie aus den gängigen Zeichenprogrammen kennt (u.a. Pencil, Airbrush, Brush, Eraser, Clone) . Natürlich unterstützt es nahezu alle gängigen und bekannten Formate. Durch seinen modularen Aufbau und die Verwendung von Skripten und Plug-ins, welche zu Hunderten im Web verfügbar sind, erreicht es eine sehr große Leistungsfähigkeit auf den verschiedensten Einsatzgebieten.

Mit Hilfe von Plug-ins lassen sich so neue Funktionen ohne Neucompilierung einfügen, und durch die Skriptsteuerung eignet es sich auch zur Massenbearbeitung von großen Bildbeständen. Gimp unterstützt auch das so beliebte wie nützliche Arbeiten mit Ebenen. Durch dieses Feature kann das Bild in mehreren, unabhäng manipulierbaren Ebenen bearbeitet werden. Diese Funktion ist in der professionellen Bildbearbeitung nicht mehr wegzudenken. Für alle Menüeinträge können Tastaturkürzel definiert werden. Ebenso verfügt Gimp im Gegensatz zu vielen bekannten Bildbearbeitungsprogrammen über eine Undo/Redo-Funktion, welche nur durch die vorhandene Festplattenkappazität begrenzt ist. Eine weitere Erleichterung stellt das automatische Eintragen der Plug-ins im Hauptmenü dar. Alle Funktionen des Programms sind komfortabel im entsprechenden Dialog einstellbar. Damit wird das Editieren von kryptischen Konfigurationsdateien hinfällig. Weitere Vorzüge sind u.a. die Möglichkeit zur Bearbeitung und Erzeugung von GIF-Animationen und mit Hilfe des SANE-Plug-ins die Verfügbarkeit eines einfach zu bedienendes Interfaces zum professionellen Scannen in Gimp.

Für die Zukunft ist die Unterstützung des CMYK-Farbraums geplant. Damit würde Gimp auch im Bereich der Druckvorstufe eine erstzunehmende Konkurrenz zu kommerzieller Software.

Blender

Blender ist ein professionelles 3D-Design-, Animations-, und Raytracingpaket. Die Software ist ein Freeware-Produkt der niederländischen Firma NeoGeo und wurde ursprünglich als Inhouse-Applikation entwickelt, um Animationen in höchster Qualität auf SGI-Workstations zu realisieren. Nach dem großen Erfolg entschied sich NeoGeo, das Programm auch auf andere Systeme zu portieren. Finanziert wird das Projekt durch eine Pro-Version, welche kommerziell vertrieben wird, und den Verkauf von Handbüchern für die Freeware-Version.

Blender ermöglicht es dem Benutzer nicht nur animierte 3D-Welten zu erstellen. Die Funktionalität reicht über technische Visualisierung und Morphing-Effekte bis hin zu Trickanimationen. Die Möglichkeiten, welche dieses Paket bietet, hier aufzulisten und zu beschreiben, würde den Rahmen dieses Vortrags sprengen, denn Blender bietet fast alle Funktionen, welche auch von anderen (kommerziellen) Produkten bekannt sind. Alles in allem ist Blender ein sehr interessantes Paket, an welchem sich Interessierte, sobald sie sich an die sicher eigenwillige Oberfläche gewöhnt haben, so richtig austoben und ihrer Fantasie freien Lauf lassen können.

mtv (MpegTV Player)

mtv ist ein kommerzieller Video-Player, mit dem kompfortabel MPEG-1-Videos und Video-CD´s abgespielt werden können. Dabei ist es egal, ob es sich bei dem Video um eine lokale Datei auf dem eigenen Rechner handelt, oder ob die Quelle in Form eines Video-Streams vorliegt, welcher über das Netz dem Player zugespielt wird. mtv ist für nahezu alle bekannten Unix-Derivate erhältlich, und der Preis von 10 USD für Privatpersonen ist für die Qualität des Programms mehr als gerechtfertigt.

Einige Vorzüge von MpegTV sind u.a. die Möglichkeit Videos in Full-Screen abzuspielen und Video-CD´s wiederzugeben. Der Player verfügt über eine intuitive, und dadurch leicht zu bedienende GUI, die an die elementaren Bedienelemente eines Videorecorders erinnert. mtv bietet die Möglichkeit zur Einbindung in Netscape Navigator, um Videos direkt über das Netz abzuspielen, oder "reinzuschnuppern". Die Menüs bieten gute Einstellungsmöglichkeiten im Bezug auf Helligkeit, Kontrast und Gamma-Korrektur und durch Frame-Capture können einzelne Bilder aus einem Video abgespeichert werden.

X11Amp

X11Amp ist eines von vielen Abspielprogrammen für das MPEG Audio Layer 3, kurz MP3-Format, welches sich einer immer größerer Beliebtheit erfreut, da es die Kompression von Audiodaten in CD-Qualität im Faktor 12:1 ohne einen hörbaren Verlust an Audioinformationen erlaubt. Das äußere Erscheinungsbild von X11Amp lehnt sich stark an den bekannten MP3-Player Winamp an. Aber im Gegensatz zu Winamp, welches Shareware ist, ist X11Amp freie Software. Die Installation gestaltet sich einfach und unkompliziert. Nachdem das RPM-File installiert ist, kann X11Amp in Betrieb genommen werden. Die einzige Voraussetzung für den Musikgenuss ist eine aktuelle Version von GTK (Gimp Toolkit) und natürlich eine Soundkarte, welche im Kernel korrekt eingerichtet und funktionsfähig ist.

Um in den Genuss einer MP3-Datei zu kommen, kann man zwei Wege gehen. Entweder man klickt auf den Eject-Button, und wählt sich dann in der Auswahlbox eine Datei seiner Wahl aus, oder man bedient sich eines Load All. Bei letztgenannter Möglichkeit werden alle Dateien, die auf .mp3 enden und sich im ausgewählten Verzeichnis befinden geladen. Eine weitere Möglichkeit bietet der Playlisten-Editor. Hier können mp3s aus mehreren Verzeichnissen zu einer Playliste zusammengefasst werden. Wer ein zufälliges Abspielen der ausgewählten Musikstücke bevorzugt, der wird mit der Shuffle-Funktion glücklich.

Um das Aussehen von X11Amp zu verändern und so dem eigenen Geschmack anzupassen, kann man sich der unzähligen "Skins" bedienen, welche im Web verfügbar sind. Diese können nach dem download mit der Tastenkombination ALT-S eingebunden werden.

Um kurzzeitigen hohen CPU-Lasten, welche Aussetzer verursachen, entgegenzutreten, empfiehlt es sich, X11Amp mit

# x11amp -b 1024

zu starten. So wird ein Sounddaten-Puffer von 1 MB Größe reserviert.

Internet-Tools

Licq

Licq ist einer der vielen ICQ-Clones unter Linux, die im Web verfügbar sind. Jeder dieser Clones hat seine eigenen Features und unterstützt mehr oder weniger viele Funktionen der offiziellen MS-Windows-Version. Eines aber haben alle diese Clones gemeinsam. Sie sind um Längen besser als das von Mirabilis herausgebrachte und unter Linux lauffähige JavaICQ, welches durch seine häufigen Abstürze, die schwammige Bedienung und den hohen Speicherverbrauch nahe an der Schwelle zur Unbenutzbarkeit steht und nebenbei auch nur rudimentäre Funktionen bereitstellt.

Licq basiert auf dem Qt-Toolkit der norwegischen Firma Troll Tech, welches auch von KDE benutzt wird. Diesem Tatbestand ist das funktionelle und etwas schmucklose äußere Erscheinungsbild zuzuordnen. Glücklicherweise bietet Licq aber die Möglichkeit Skins einzubinden, um so die Oberfläche dem eigenen Geschmack näher zu bringen. Auch die verwendeten Icons können gegen neue Icon-Packs ausgetauscht werden. Skins und Icons sind in großer Zahl im Web verfügbar, und können durch einfaches Kopieren in das Verzeichnis ~/.icq/data dem Programm sichtbar gemacht werden. Mit folgendem Befehl kann nun Licq mit neuem "Outfit" gestartet werden.

# licq -s Skinpack -i Iconpack

Licq unterstützt nicht nur die Funktionen, die man von der offiziellen Version kennt (wie u.a. History, Chat, File-Transfer, Invisible Mode), sondern auch gänzlich andere Funktionen, wie z.B. das Spoofen einer UIN (User Identification Number). Mit dieser Funktion können Messages unter fremder UIN verschickt werden, was natürlich moralisch nicht unbedenklich ist. Aber wer würde so etwas schon machen... Kurzum, Licq stellt im Moment die beste Wahl für ICQ unter Linux dar.

IglooFTP

IglooFTP ist ein grafischer FTP-Client. Das Programm ist äußerlich dem in der MS-Windows-Welt so beliebten CuteFTP nachempfunden, aber im Gegensatz dazu frei. Die Bedienung ist einfach und intuitiv. Alle Einstellungen werden im Preferences Menü vorgenommen und sind benutzerspezifisch. In der unteren rechten Ecke des Programmfensters findet sich eine Netscape-Toolbar, mit der schnell und komfortabel auf den Netscape Navigator zugegriffen werden kann. Das Programm basiert auf dem GTK (Gimp Toolkit) und kann mit Sicherheit als der "schönste" und benutzerfreundlichste FTP-Client unter Linux bezeichnet werden.

Internet-Ressourcen:

StarOffice: http://www.stardivision.de
Applixware: http://www.applix.com
WordPerfect: http://www.corel.com
Gimp: http://www.gimp.org
Blender: http://www.blender.nl
MpegTV: http://www.mpegtv.com
X11Amp: http://www.x11amp.bz.nu
Licq: http://licq.wibble.net
IglooFTP: http://www.littleigloo.org
KDE: http://www.kde.org
Qt: http://www.troll.no